Problematik Theodor-Heuss-Brücke

Zusammenfassung des Beitrags:

Die CityBahn kann keine Entlastung der Theodor-Heuss-Brücke darstellen und fährt hier, insofern sie nicht im Stau steht, am eigentlichen Verkehrsaufkommen vorbei. Für Fahrgäste in Mainz-Kastel verschlechtert sich die Situation zudem teilweise.


Die Theodor-Heuss-Brücke ist aus heutiger Sicht die einzige Verbindungsmöglichkeit für die CityBahn zum Mainzer Straßenbahnnetz, sie bildet allerdings auch ein Nadelöhr in der geplanten Streckenführung. Praktisch täglich kommt es im Berufsverkehr zum Stau auf der Brücke – es ist nicht ersichtlich wie verhindert werden soll, dass die CityBahn ebenfalls vom Stau betroffen sein wird. Falls es hier wie von den Planern angedeutet Möglichkeiten gäbe, so könnte man diese seit Jahren schon für die Stadtbusse auf der Brücke nutzen. Dies passiert leider nicht.

Für den Großteil des heute die Brücke querenden Verkehrs stellt die CityBahn zudem leider keine Alternative dar – es wird in diesem Bereich daher kaum Umsteiger vom PKW zur CityBahn geben! Auch Einsparungen beim Busverkehr werden wahrscheinlich geringer ausfallen, als sie vormals bei Projektbeginn genannt wurden. Beide Punkte lassen sich folgendermaßen argumentieren:

Die CityBahn kann nach aktuellen Verkehrszählungen nur für gut 15% des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) welcher heute die Theodor-Heuss-Brücke quert, eine Alternative darstellen – ca. 85% des Verkehrs der Brücke kommt aus beziehungsweise verläuft in Richtung Boelckestraße/A66 oder Mainz-Kastel/Kostheim und kann durch die CityBahn nicht ersetzt werden:

Verteilung MIV Theodor-Heuss-Brücke Mainz-Kastel

Es mag Zufall sein, aber auch die Heinz + Feier GmbH, welche die Untersuchungen zum Verkehrsfluss auf dem Kreisel an der Brücke durchgeführt hat, hat praktisch keine Fahrzeuge auf der Rampenstraße von/nach Wiesbaden-Innenstadt in ihrem Simulationsbild vorgesehen. Der PKW-Verkehr und somit auch das Potential für eine CityBahn sind hier wie oben beschrieben gering. Es ist damit davon auszugehen, dass entgegen der Wünsche der Projektbeteiligten über 85% der Verkehrsteilnehmer welche heute die Theodor-Heuss-Brücke nutzen, auch zukünftig nicht auf ihren PKW verzichten werden – die CityBahn bringt für sie keinerlei Vorteile!

Bei der Aufteilung der Busfahrten über die Theodor-Heuss-Brücke sieht die Sache ähnlich aus wie beim MIV. Der in Richtung Mainz-Kostheim führende Streckenast hat die größte Nachfrage und die meisten Busfahrten (im Schnitt 17 pro Stunde und Richtung in der Hauptverkehrszeit), während auf der Rampenstraße Richtung Amöneburg nur 8 Busse stündlich unterwegs sind (Buslinien 6 und 9). Nur für die letztgenannten stellt die CityBahn einen Ersatz dar. Ohne Aufgabe von wichtigen Direktverbindungen auf der Relation Mainz-Kastel/Kostheim nach Mainz-Innenstadt kann die CityBahn somit aber nur jeden dritten Bus auf der Brücke ersetzen:

Verteilung Bus Theodor-Heuss-Brücke Mainz-Kastel

Für Mainz-Kastel ist darüberhinaus wichtig, dass die Haltestelle „Brückenkopf“ zukünftig zweigeteilt sein wird – die Haltestelle der CityBahn wird sich auf der Rampenstraße befinden, bis zu 100 Meter entfernt von der heutigen Haltestelle (siehe oben genanntes Simulationsbild). In Richtung Mainz-Innenstadt werden die meisten Fahrgäste aller Voraussicht nach jedoch die häufiger bediente und viel näher an der Wohnbebauung und am S-Bahnhof liegende bestehende Bushaltestelle weiterhin nutzen – zum Nachteil der CityBahn. Zudem wird sich die Umstiegsbeziehung zwischen S-Bahn und CityBahn aufgrund sehr langer Wege mit gegebenfalls zweifachem Überqueren des Kreisels noch weniger komfortabel und sicher als heute darstellen.

3 Gedanken zu “Problematik Theodor-Heuss-Brücke

  1. Vielen Dank für diese Analyse bzw. für den gesamten Block von Analysen. Mir ist das ganze allerdings noch zu konservativ, weil es zukünftige Potentiale noch gar nicht betrachtet – ich spreche hier vom Autonomen Fahren. Auf der Zeitskala, die bei der Planung verwendet wird – 10 bis 20 Jahre – wird dies ein signifikanter Faktor sein. Das Autonome Fahren (AF) ist aus meiner Sicht das Beste beider Welten – die Flexibilität und der Komfort des MIV (z.B. was Privatsphäre und subjektives Sicherheitsgefühl angeht) kombiniert mit der Zeiteffizienz des ÖPNV. Damit wird AF die gesamte Gleichung grundlegend ändern und sehr wahrscheinlich auch die Land/Stadt-Migrationsströme umkehren.

    Aus meiner Sicht ist die derzeit beste Strategie, nicht mehr in unflexible, wenig robuste Systeme wie schienengebundenen Kurzstreckenverkehr zu investieren, sondern das Investitions-Pulver hier trocken zu halten und mit flexiblen Lösungen zu arbeiten. Das bedeutet zum Beispiel, Bussysteme intelligent zu erweitern. Zusätzlich könnte Wiesbaden sich an zukunftsweisenden Pilotprojekten beteiligen, ich denke hier beispielsweise an das DB-Pilotprojekt in Hamburg, bei dem autonome Busse als Zubringer für den Lang- und Mittelstreckenverkehr eingesetzt werden.

    Ich sehe ansonsten die Gefahr, daß der ÖPNV sich mittelfristig in eine Situation manövriert, in dem Gelder langfristig für Betriebs- und Folgekosten veralteter Systeme gebunden sind und gleichzeitig die Kunden massiv in Richtung von Verkehrssystemen auf Basis autonomer Fahrzeuge weglaufen. Momentan funktioniert die Strategie noch, daß man den ÖPNV im Relativvergleich bevorteilt, indem unter anderem dem MIV Verkehrsraum entzogen wird oder der Parkhausbau politisch behindert wird. Wenn erst einmal Referenzregionen mit Transportsystemen auf AF-Basis existieren, wird dies nicht mehr durchzuhalten sein.

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    • Hallo, vielen Dank für den Kommentar. Autonomes Fahren wird natürlich kommen, allerdings halte ich es für schwierig einzuschätzen, wann es kommt bzw. wie schnell es kommt und wie stark/weitgehend es unser tägliches Leben beeinflussen wird. In der Politik muss aber heute gehandelt werden – ein einfaches Abwarten kann sich hier niemand leisten. Daher wird auch in Projekte investiert, die sich vielleicht in 10 Jahren als wenig optimal erweisen. Das ist aber fast nicht vermeidbar.

      Ich sehe aber noch ein anderes Problem – das „Investitions-Pulver“ trocken halten geht in Zeiten, wo jedes Projekt von Stadt, Bundesland, Deutschland, EU etc. cofinanziert wird, leider nicht. Eine große Schwäche unseres Systems – hier wird sicher auch mal „fremdes Fördergeld“ verpulvert, weil es halt gerade zur Verfügung steht. Nicht zu reden davon, wieviel es kostet, alle „Umverteilungs-Organisationen“ zu unterhalten!

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  2. Danke für diese Antwort. Klar läßt sich heute noch nicht genau sagen, wann das autonome Fahren reif für die Fläche ist. Es dürfte aber in jedem Fall auf der Zeitskala stattfinden, die auch für ÖPNV-Infrastrukturprojekte maßgeblich ist, vor allem, wenn es um schienengebundene Systeme geht.

    Was den Handlungsbedarf angeht: Die Not scheint zumindest nicht so groß zu sein, daß man sich in Wiesbaden (seit dem ersten Versuch, ein schienengebundenes System einzuführen) zirka 15 Jahre Zeit genommen hat. Und auch wenn man nur den jetzigen Anlauf betrachtet: Realistisch dürfte vor Ablauf von etwa 5 Jahren hier nichts rollen, vermutlich dauert es sogar noch länger. Nach echter Not sieht das für mich nicht aus.

    Vielleicht sind alle anderen Alternativen tatsächlich so viel schlechter. Es könnte aber auch sein, daß man sich einfach darauf fixiert hat, ein solches System durchsetzen zu wollen und dadurch Alternativen weniger ernsthaft betrachtet. Wenn ich so manche Kommentare in der sogenannten „Bürgerbeteiligung“ lese, bekomme ich den Eindruck, daß zumindest einige Kommentatoren an Schienen vor allem den „Kampfwert“ gegenüber dem MIV schätzen. Ich will natürlich nicht unterstellen, daß dies das Hauptmotiv ist. Aber man sollte sich unter anderem mal klarmachen, daß das, was da „verdrängt“ oder behindert werden soll, in vielleicht 10 Jahren schon einen großen Anteil Elektromobile sind. Realistisch betrachtet wird kaum jemand sein Auto ganz abschaffen, wenn es für bestimmte Strecken ÖPNV-Alternativen gibt, sondern höchstens weniger damit zu fahren. Je geringer die Fahrleistung, desto kleiner der Sinn eines Fahrzeugwechsels. Und das Umstiegspotential ist gerade bei einer stadtnah wohnenden Klientel am größten.

    Dazu: Ein massiver Umbau der Innenstadt wird, so oder so, den gesamten Verkehr in Wiesbaden auf Jahre hinaus behindern. Eine wirklich umfassende Nutzen-Kosten-Rechnung sollte entsprechende Belastungen der Umwelt und der Nerven abbilden – es wäre mir nicht bekannt, daß dies jetzt der Fall ist. Ich weiß nicht, ob das Emissionsplus von 3 bis 5 Jahren Bau-Chaos in einer Umweltbilanz jemals wieder aufgeholt werden kann.

    Aber um das auch mal zu sagen: Ihre Herangehensweise gefällt mir, weil sie pragmatisch und faktenbasiert ist. Die Vorgehensweise der (letztendlich) mit meinen Steuern und Abgaben finanzierten „Konkurrenz“ erscheint mir dagegen sehr viel stärker ideologiegetrieben. Insbesondere das Konzept einer zusätzlichen Brücke in einem Bereich, in dem sich nicht alles ballt, finde ich gut. Unter Bezug auf die Fotos würde ich nur hoffen, daß die Trasse so gestaltet ist, daß sie auch von Straßenfahrzeugen – heute PKW oder Busse, später von autonome Fahrzeuge – genutzt werden kann.

    Ihre Anmerkung zur Co-Finanzierung – aus der ich auch eine gewisse Traurigkeit herauslese, oder vielleicht empfinde ich das nur selbst so – stimmt natürlich. Das ist vielleicht ein Merkmal unserer Zeit (oder vielleicht war das immer schon so): Es wird vergessen, daß es hier um Steuergeld geht, das man sicherlich auf politischem Weg auch in andere Kanäle lenken könnte; das Motto „laßt es uns verbraten, bevor es jemand anderer tut“ hat jedenfalls wenig mit sozialem oder nachhaltigem Denken oder Handeln zu tun.

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